- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
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Rund 20 Prozent aller Deutschen leben allein – Tendenz steigend. Auch in den meisten anderen westlichen Ländern ist dieser Trend zu beobachten. Doch entgegen vorherrschender Vorurteile muss ein Leben allein nicht gleichzeitig Isolation und Einsamkeit mit sich bringen. Das haben Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Studie herausgefunden. Sie befragten dabei über drei Jahre hinweg rund 400 Personen im Alter zwischen 35 und 60 Jahren, die in den Thüringer Ballungszentren Erfurt, Weimar, Jena und Gera allein wohnen. Etwa ein Fünftel von ihnen befand sich in einer Partnerschaft.
„In der Forschung werden Alleinlebende häufig mit klassischen Lebensformen wie Partnerschaft und Familie verglichen und dabei als sehr homogene Gruppe betrachtet, die in der Regel ein geringes Wohlbefinden aufweist“, sagt Philipp Kersten, der die Studie durchgeführt hat. „Wir wollten dagegen der Heterogenität der Lebensform Rechnung tragen und zeigen, wie das Modell gelingen kann.“ Denn auch wenn Menschen, die alleine in ihrem Haushalt leben, durchaus ein erhöhtes Einsamkeitsrisiko tragen, so müssen sie nicht zwangsläufig zum schlecht gelaunten Eremiten werden. Vielmehr können auch sie ein lebendiges und erfüllendes Umfeld besitzen – wenn sie die Möglichkeiten, die sich für ein reiches Sozialleben bieten, auch nutzen.
Lose Netzwerke ohne regelmäßige Kontakte senken das Wohlbefinden
Um sich der Gruppe systematisch zu nähern, haben die Jenaer Psychologen sie in vier Typen eingeteilt. Besonders zufrieden war rund ein Drittel der Befragten, das auf ein großes Netzwerk zurückgreifen kann und täglich verschiedene soziale Kontakte pflegt, unter denen sich sowohl Familie und Freunde als auch Bekanntschaften wie Mitarbeitende oder Nachbarn befinden. Ein noch höheres Wohlbefinden wiesen nur etwa zehn Prozent der Teilnehmenden auf, die zwar einen nicht ganz so großen sozialen Kreis besitzen, dafür aber sehr auf ihre Partnerschaft fokussiert sind.
Im Gegensatz dazu zeigten Menschen mit wenigen regelmäßigen Kontakten ein weitaus geringeres Wohlbefinden. Etwa ein Viertel der Befragten sind nur in einem sehr kleinen sozialen Kreis eingebettet, der überwiegend aus Familienmitgliedern besteht. „Uns hat allerdings besonders überrascht, dass die unzufriedenste Gruppe – immerhin auch etwa ein Drittel der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer – über gar kein so kleines Netzwerk verfügt. Allerdings ist das sehr lose geknüpft, sodass sich daraus wenige tägliche Kontakte ergeben“, sagt Philipp Kersten. Um Fülle und Qualität täglicher Kontakte genauer betrachten zu können, ließen die Experten die befragten Personen über mehrere Wochen ein Kontakttagebuch führen.
Somit zeige die Studie insgesamt, dass die Lebensform unter bestimmten Umständen ein Risikofaktor für das Wohlbefinden sein kann – nämlich dann, wenn man schwach vernetzt ist und seine Kontakte nicht nutzt. Zudem spiele es eine Rolle, ob man freiwillig dieses Lebensmodell gewählt hat, was etwa 50 Prozent der Befragten angaben, oder generell unzufrieden mit dieser Lebenssituation ist. „Doch Alleinleben ist kein Schicksal – die Kunst besteht in der Gestaltung sozialer Beziehungen“, sagt Prof. Dr. Franz J. Neyer, der ebenfalls an der Studie beteiligt ist. Die Gruppe, die eine positive Rückmeldung vermittelt – immerhin über 40 Prozent der Befragten –, zeige, dass man nicht einsam sein muss, wenn man Gelegenheiten zu regelmäßigen sozialen Kontakten konsequent nutzt.
Originalpublikation:
Ph. Kersten, M. Mund und F. J. Neyer: „Does living alone mean being alone? Personal networks of solo-living adults in midlife“, International Journal of Behavioral Development, 2023; https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/01650254231206329Externer Link
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