Delegation Tokyo 2022

Jenaer Studierende vertreten Afghanistan, China, Mexiko und Spanien

Meldung der Pressestelle der Universität
Delegation Tokyo 2022
Foto: Rebecca Bück

Link zur Originalmeldung von Sebastian Hollstein vom 11. März 2022

Vor anderthalb Wochen verurteilte die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) durch eine Resolution den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Eine überwältigende und äußerst seltene Mehrheit von 141 aus insgesamt 193 Staaten stimmte mit Ja. Auch wenn aus dieser Abstimmung keine unmittelbaren Aktionen hervorgehen, so ist ihr Ergebnis doch ein nachdrückliches Zeichen dafür, dass etwa Dreiviertel der Staatengemeinschaft die Aggression Russlands verurteilt. Zu solchen Beschlüssen führt allerdings häufig ein langer Weg auf diplomatischem Parkett. Wie dieser genau aussieht und welche multilateralen Prozesse hinter solchen Entscheidungen stecken, das erleben 15 angehende Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena in der kommenden Woche hautnah. Während der World Model United Nations Conference 2022 (WorldMUN) vom 13. bis 17. März simulieren sie gemeinsam mit rund tausend Studierenden aus aller Welt Sitzungen bei den Vereinten Nationen und lernen dabei die Arbeits- und Funktionsweise der Institution kennen. Die von der Harvard University ausgerichtete Veranstaltung, die ursprünglich in Tokio stattfinden sollte, weicht aufgrund der Corona-Pandemie erneut auf ein digitales Format aus.

„Mit 15 Studierenden stellen wir eine der größten Delegationen“, informiert Franziska Sandt, Politikwissenschaftlerin und WorldMUN-Koordinatorin an der Universität Jena. „Deshalb vertreten wir in diesem Jahr nicht nur ein Land sondern gleich vier: Afghanistan, China, Mexiko und Spanien.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer setzen sich für die Interessen dieser Staaten in verschiedenen Gremien und Komitees der UN ein. So diskutieren sie etwa im Wirtschafts- und Finanzausschuss der Generalversammlung über Investitionsstrategien von Regierungen und im Ausschuss für soziale, humanitäre und kulturelle Fragen über die Wahrung indigener Kultur. Am Ende der Verhandlungen sollen sich alle Parteien gemeinsam auf eine Resolution verständigen. Besonders talentierte Nachwuchs-Diplomaten erhalten im Anschluss Auszeichnungen, etwa für die beste Delegation.

Besuch beim afghanischen Botschafter im Exil

Für ihre Aufgabe haben sich die Jenaer Studierenden akribisch vorbereitet. Zum einen beschäftigten sie sich im Rahmen eines Seminars während des vergangenen Wintersemesters sowohl mit den jeweiligen Staaten, die sie vertreten werden, als auch mit den Gremien und Prozessen der UN und den entsprechenden Fertigkeiten, die dort gefragt sind. So übten sie sich beispielsweise darin, politische Reden zu halten. Zum anderen reiste die Delegation kurz vor der Konferenz nach Berlin und informierte sich in intensiven Gesprächen mit dem afghanischen Botschafter im Exil, mit Vertreterinnen und Vertretern der spanischen Botschaft sowie mit den jeweiligen Länderreferenten im Auswärtigen Amt aus erster Hand über die inhaltlichen Positionen der Staaten zu den jeweiligen Diskussionsthemen der WorldMUN.

Ukrainische Studentin fordert Reformen

Eine große Stärke des Jenaer Teams ist dabei, dass es selbst sehr international aufgestellt ist. Neben Deutschland kommen die Studierenden etwa aus Indien, Kolumbien und den USA. Mit Liza Shcherbakova ist auch eine Studentin aus der Ukraine Teil der Delegation, für die die Sitzungen bei den Vereinten Nationen aufgrund der gegenwärtigen Ereignisse in ihrem Heimatland plötzlich persönliche Bedeutung bekommen haben. „Es ist natürlich enttäuschend zu sehen, dass die Vereinten Nationen nahezu hilflos sind, den russischen Krieg gegen die Ukraine zu stoppen. Dies liegt maßgeblich daran, dass sie durch ihre eigene veraltete Zusammensetzung eingeschränkt sind. Die Organisation braucht drastische Reformen, um ihre Hauptaufgabe weiter erfüllen zu können", sagt sie. „Heißt das, wir können den Multilateralismus ganz aufgeben? Auf keinen Fall. Ich bin immer ein Verfechter unserer gemeinsamen Verantwortung für die Erhaltung des Weltfriedens gewesen. Für meine Generation muss die gegenwärtige Krise der UN ein Problem sein, das es zu lösen gilt. Genau aus diesem Grund sind Projekte wie die WorldMUN so wichtig für uns als Studierende und möglicherweise zukünftige Diplomaten."

In diesem Jahr nimmt die Universität Jena bereits zum 13. Mal an der WorldMUN teil.  „Simulationen dieser Art sind für uns ein wichtiges Mittel, um Prinzipien der Diplomatie und Prozesse der internationalen Kooperation erfahrbar zu machen und sie dadurch äußerst lebendig zu vermitteln“, sagt Franziska Sandt. „Mit der SchillerMUN richten wir seit zwei Jahren selbst eine solche Veranstaltung aus. Universitätsintern schlüpfen dabei etwa 50 Studierende für zwei Tage in die Rolle von Diplomatinnen und Diplomaten – das nächste Mal im Juni 2022.“