Forschungsprojekte

Übersicht zu laufenden und abgeschlossenen Forschungsprojekten

Forschungsprojekte von Prof. Dr. Christian Kreuder-Sonnen

Laufende Projekte

Notstandspolitik internationaler Organisationen (2012 - heute)

Kooperationspartner (extern): Tine Hanrieder (LSE), Jonathan White (LSE), Bernhard Zangl (LMU München)

Krisen lösen häufig politische Reaktionen aus, die etablierte Normen und Regeln beugen oder suspendieren. Auf innerstaatlicher Ebene hat dieses Phänomen im Konzept des Ausnahmezustands verfassungsrechtlichen Ausdruck gefunden. Grenzüberschreitende Notlagen wie die Euro-Krise oder Covid-19 bergen heute jedoch auch das Potential für Notstandspolitik jenseits des Staates. Von der Europäischen Union (EU) bis zur Weltgesundheitsorganisation (WHO), von supranationalen Institutionen bis zu konzertiert handelnden Regierungen: die Logik des Notstands findet sich vermehrt auch auf internationaler Ebene. Was sind die Ursprünge, Formen und Auswirkungen dieses Regierungsmodus und wie kann er im globalen Kontext theoretisiert werden? Dies sind die Fragen, die das Forschungsprogramm zur Notstandspolitik jenseits des Staates leiten. Die bisherigen Ergebnisse unserer vergleichenden Analysen zeigen, dass (1) Notstandspolitik einen Mechanismus der Ermächtigung für internationale Organisationen darstellt, mit dem sie "Autoritätssprünge" bewirken können, dass (2) Notstandsgewalten von internationalen Organisationen im Laufe der Zeit tendenziell normalisiert werden und nur dann zurückgenommen werden, wenn es KritikerInnen gelingt, sie als unverhältnismäßig darzustellen, und dass (3) die Art und Weise, wie Notstandsgewalten auf der Ebene der internationalen Organisationen ausgeübt werden, autoritäre Merkmale in das globale Regieren einführt. Die laufende Forschung fragt, unter welchen Bedingungen IOs auf Notstandspolitik zurückgreifen und wie der Ausnahmezustand jenseits des Staates institutionell eingehegt werden kann.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

Institutionelle Überlappung, Schnittstellenkonflikte und Konfliktmanagement (2017 - heute)

Kooperationspartner (extern): Michael Zürn (WZB Berlin Zentrum für Sozialforschung)

Global Governance ist durch eine zunehmende institutionelle Dichte gekennzeichnet. Eine schnell wachsende Zahl formeller und informeller internationaler Institutionen besetzt einen langsamer wachsenden Raum der Global Governance. Infolgedessen kommt es zu Spannungen zwischen diesen Institutionen. Wenn sich Normen und Regeln überschneiden und verschiedene internationale Organisationen (IOs) um die Autorität in bestimmten Fragen konkurrieren, sind Konflikte nicht unausweichlich, aber wahrscheinlicher. In diesem Projekt, das aus der DFG-Forschungsgruppe "Overlapping Spheres of Authority and Interface Conflicts in the Global Order (OSAIC)" unter der Leitung von Michael Zürn hervorgegangen ist, untersuchen wir, wie so genannte Schnittstellenkonflikte - Konflikte zwischen Akteuren um den Vorrang unterschiedlicher Normen oder Regeln, die von verschiedenen internationalen Institutionen ausgehen - in der internationalen Politik gehandhabt werden. Um sowohl die praktischen als auch die normativen Folgen institutioneller Überlappungen abzuschätzen, d.h. inwiefern sie es Staaten erlauben, internationale Verpflichtungen zu umgehen und die Integrität des internationalen Rechtssystems zu untergraben, ist es unerlässlich, festzustellen, wann und wie Konflikte entstehen und wie mit ihnen umgegangen wird. Unsere bisherige Forschung hat gezeigt, dass (1) bei weitem nicht alle Überlappungen zu Schnittstellenkonflikten führen, dass (2) Schnittstellenkonflikte oft kooperativ bearbeitet werden, dass es (3) für den Ausgang eines Konflikts nicht nur maßgeblich ist, welche Machtressourcen die Parteien einbringen, sondern auch welche argumentativen Ressourcen, und dass (4) Konflikte oft eher neue Ordnung hervorbringen als Ordnung per se zu unterminieren.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

Die Krise der liberalen Weltordnung: endogene Quellen der Anfechtung (2018 - heute)

Kooperationspartner (extern): Stacie Goddard (Wellesley), Ron Krebs (Minnesota), Berthold Rittberger (LMU München), Bernhard Zangl (LMU München)

Die liberale internationale Ordnung (LIO), verstanden als das Ensemble formeller und informeller internationaler Institutionen, die wirtschaftlich und politisch liberale soziale Zwecke verfolgen, wird weitgehend als in der Krise befindlich angesehen. Zwar gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, ob die Krise vorübergehend oder ein Niedergang der Ordnung unwiderruflich ist. Jedoch ist unbestritten, dass die LIO derzeit mit einem außerordentlichen Maß an Kritik und Umstrittenheit von Staaten und gesellschaftlichen Akteuren auf der ganzen Welt konfrontiert ist. Während sich ein Forschungsstrang in der Literatur auf exogene Faktoren wie globale Machtverschiebungen und den Aufstieg Chinas konzentriert, widmet sich dieses Projekt der Untersuchung von Quellen der Kritik, die der liberalen Ordnung selbst innewohnen. Das heißt, wir rücken Probleme der institutionellen und ideellen Struktur der LIO in den Vordergrund, die zu ihrer abnehmenden Legitimität in den Augen öffentlicher und privater Akteure beitragen. Ein erstes wichtiges Argument lautet, dass die internationalen Institutionen, die der LIO zugrunde liegen, zunehmend an Autorität gewinnen, es ihnen aber an demokratischer Responsivität mangelt. So kann sich Unzufriedenheit mit der von IOs verfolgten Politik kaum in Politikwechsel übersetzen, weshalb sich die Kritik von der Sache auf die gesamte politische Ordnung verlagert. Im weiteren Verlauf des Projektes werden wir uns mit der empirischen Untermauerung dieses Argumentes befassen und Varianz über IOs und Politikfelder analysieren.

Ausgewählte Veröffentlichungen:

 

Krise und Wandel: Auswirkungen von Krisen auf die institutionelle Ausgestaltung internationaler Organisationen (2020 - heute)

Die institutionelle Entwicklung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) war in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark von globalen Gesundheitskrisen geprägt. Nach der SARS-Krise im Jahr 2003 wurden der Organisation neue Befugnisse übertragen, um Ausbrüche von Epidemien einzudämmen. Angesichts ihrer umstrittenen Rolle während der H1N1-Schweinegrippe-Pandemie 2009-10 wiederum beschnitten die Mitgliedsstaaten ihr das Budget, was sie an der weiteren Erfüllung ihres Mandats hinderte. Schließlich hat die Coronavirus-Krise zu einer intensiven Politisierung der WHO und zum (vorläufigen) Rückzug ihres mächtigsten Mitgliedsstaates geführt. In den meisten Fällen sehen IOs nach Krisen, in die sie politisch involviert sind, nicht mehr so aus, wie sie vorher aussahen. Davon zeugt die nach der Euro-Krise veränderte Gestalt der Europäischen Union ebenso wie der Wandel der Internationalen Organisation für Migration im Kontext der humanitären Krise in Libyen nach 2011. Allerdings bleibt die Richtung des institutionellen Wandels unbestimmt: In einigen Fällen gehen IOs gestärkt aus Krisen hervor, in anderen Fällen werden sie geschwächt. Wie lässt sich diese Varianz erklären? Wann sind IOs in der Lage, Krisen als Chance zu nutzen, und wann entwickeln sie sich zum Hemmnis? Unter welchen Bedingungen bringen Krisen Staaten dazu sich entweder dem Urteil von IOs zu fügen oder sich ihnen zu widersetzen? In diesem Projekt wollen wir 1) Daten über vergleichbare grenzüberschreitende Krisen und die Krisenreaktionen von IOs sammeln; 2) Faktoren theoretisieren, die den verschiedenen institutionellen Entwicklungspfaden von IOs Rechnung tragen; 3) die theoretischen Erwartungen sowohl in quantitativen als auch in qualitativen Studien testen.

Ausgewählte Veröffentlichungen: