Hintergrund Achtsamkeit
Achtsamkeit ist für digitale Gesellschaften deshalb besonders bedeutsam, weil es sich bei der Kulturtechnik der Achtsamkeit um eine Technik handelt, die auf die Ausbildung einer Meta-Kompetenz ausgerichtet ist. Indem sich Achtsamkeitstrainings auf die Meta-Ebene des Aufmerksamkeitspotentials des menschlichen Bewusstseins beziehen, wirken sie sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzfelder aus.
Unter digitalen Bedingungen werden Kommunikations- und Informationsverarbeitungsprozesse zunehmend beschleunigt und parallelisiert. Aus diesem Grund nehmen Multitasking-Routinen im Alltag der digitalen Gesellschaft zu. Achtsamkeitstrainings reagieren darauf, indem sie sowohl die geistige Konzentration als auch die Fähigkeit zur Lenkung der Aufmerksamkeit erhöhen. So werden geistige Klarheit und die Fähigkeit zur Klärung von Prioritäten auch und gerade unter digitalen Bedingungen (z.B. Multitasking-Routinen) gezielt gefördert. Darauf weisen in der deutschsprachigen Diskussion insbesondere die Forschungen des Zukunftsinstituts von Matthias Horx hin.
Darüber hinaus fördert die mentale Meta-Kompetenz der Achtsamkeit weitere Schlüsselkompetenzen, die für die digitale Gesellschaft von zentraler Bedeutung sind. Dazu gehören geistige Offenheit und intellektuelle Flexibilität, Raum für neue Informationen sowie Ambivalenzkompetenz und Ambiguitätstoleranz. Ein durch Achtsamkeitstrainings konfiguriertes „systemisches Bewusstsein“ hilft dabei, komplexe Sachverhalte angemessen zu bearbeiten, Fernwirkungen zu erkennen und den intellektuellen Horizont für mehr als eine Perspektive zu optimieren. Darauf haben u.a. die Harvard-Psychologin Ellen Langer und die MIT-Computersoziologin Sherry Turkle in ihren weltweit wirksamen Forschungspublikationen hingewiesen.
Mit Blick auf die soziale Ebene hat auch die ReSource-Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften gezeigt, dass die Balance zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung in der Kommunikation durch mentale Achtsamkeitstrainings signifikant verbessert und so die eigene Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie das Konfliktmanagement in analogen und digitalen Environments optimiert werden. Darauf weist Tanja Singer in ihren international anerkannten Forschungsarbeiten hin.
Die Wirksamkeit entsprechender Trainingsangebote, insbesondere des vom amerikanischen Medizinprofessor Jon Kabat-Zinn entwickelten MBSR-Programms (Mindfulness-Based Stress Reduction), wird in zahlreichen wissenschaftlichen Studien empirisch belegt und ist im Verlauf der letzten 35 Jahre gut erforscht. Nachweise dafür liegen sowohl auf Ebene subjektiver Angaben von Probanden und beobachteter Verhaltensveränderungen als auch auf Ebene der Hirnfunktionalität und Hirnstruktur sowie körperlicher Marker, wie z.B. peripherer körperlicher Reaktionen, Stresshormonen und Immunparametern vor.